Ungarisch
I. Einführung
Die ungarische Sprache gehört zum ugrischen Zweig der zur uralischen Sprachfamilie zählenden finnougrischen Sprachen und wird auch Magyarisch genannt. Ursprünglich wurde die Sprache in den Gebieten östlich des Urals gesprochen. Heute ist es die Staatssprache Ungarns und wird auch in den angrenzenden Ländern von Minderheiten gesprochen. Ungarisch wird von etwa 9,5 Millionen Menschen in Ungarn gesprochen, von 1,8 Millionen in Rumänien, 600 000 in der Slowakei, 400 000 in Serbien, 160 000 in der Ukraine und 12 000 in österreich. Die ungarischen Dialekte ähneln sich sehr.
II. Merkmale
Wie alle finnougrischen Sprachen ist das Ungarische eine agglutinierende Sprache: Ein Wort besteht aus einem Stamm, an den ein oder mehrere Suffixe angehängt werden. Die meisten Suffixe folgen den Gesetzen der Vokalharmonie: Ein Stamm mit einem Hinterzungenvokal (z. B. á) verlangt nach Hinterzungenvokalen in den Suffixen (hát, „Rücken“; hátunk, „unser Rücken“; háton, „auf jemandes Rücken“); ein Stamm mit einem Vorderzungenvokal verlangt nach Vorderzungenvokalen in den Suffixen (hét, „Woche“; hetünk, „unsere Woche“; héten, „während … Woche“). Das ungarische Alphabet, ein modifiziertes lateinisches Alphabet, das sich im 13. Jahrhundert n. Chr. herausbildete, weist folgende Digraphe auf: sz, cs, zs, ty, gy und ny. Die Vokallänge wird durch einen oder zwei Akute angezeigt: á, é, í, ó, ú, , ; die kurzen Vokale a, e, i, o, u, ö, ü tragen keine Akute. Die Betonung liegt auf dem ersten Vokal eines Wortes. An das Substantiv werden viele verschiedene Suffixe angehängt, um den Kasus zu markieren; daneben gibt es zwölf verschiedene Possessivsuffixe, z. B. zsebem, „meine Tasche“; zsebeim, „meine Taschen“; zsebembe, „in meine Tasche“. Das Verb kann nicht nur Person, Numerus, Tempus und Modus anzeigen, sondern auch die Aktionsart und die An- oder Abwesenheit eines Objekts (olvasok, „ich lese“; olvasom, „ich lese es“; olvasnál, „du würdest lesen“; olvasnád, „du würdest es lesen“). Das Ungarische kennt kein grammatisches Geschlecht.
III. Entwicklung
Dem Ungarischen am nächsten stehen die am Fluss Ob in Nordwestsibirien gesprochenen uralischen Sprachen Vogulisch und Ostjakisch. Das Proto-Ungarische spaltete sich vor über 2 000 Jahren von den anderen Sprachen derselben Familie ab und gelangte um 900 n. Chr. ins heutige Verbreitungsgebiet des Ungarischen. Im Lauf der Zeit nahm die Sprache zahlreiche Lehnwörter auf, zunächst vor allem aus den Turksprachen und den iranischen Sprachen sowie den kaukasischen Sprachen. Nach 900 wurden auch Wörter aus slawischen Sprachen, dem Türkischen, Deutschen und einigen romanischen Sprachen übernommen. Der Einfluss des Türkischen war stark, als Ungarn von den Türken besetzt war (1526-1699). Aus der Zeit der Habsburger Herrschaft (1699-1918) stammt der Einfluss der deutschen Sprache. Die Mehrzahl der gebräuchlichsten Wörter ist jedoch finnougrischen Ursprungs (wie ház, „Haus“; kéz, „Hand“; szem, „Auge“; hat, „sechs“). Im 19. Jahrhundert wurden von Spracherneuerern zahlreiche Fachbegriffe geschaffen, um den Anschluss an westeuropäische Technik, Naturwissenschaften und Philosophie zu sichern. Lateinisch wurde seit dem 10. Jahrhundert als Kirchensprache und als Urkundensprache verwendet, auch in der schönen Literatur (z. B. von Janus Pannonius im 15. Jahrhundert). Der früheste erhaltene Text in ungarischer Sprache ist die so genannte „Leichenrede“ (Halotti Beszéd) aus dem 13. Jahrhundert. Zeugnisse aus späterer Zeit sind religiöse Schriften wie der Ehrenfeld-Codex (1440), der Wiener Codex (um 1450) und der Münchner Codex (1466). Das früheste Buch in ungarischer Sprache ist Komjátis Übersetzung von Paulus-Briefen (1533).
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